So bezeichnete ich selbst immer mein „Dasein“, als ich mich vor Jahren in der Welt der Depression befand. Es ist eigentlich unmöglich, sich in die Haut eines depressiven Menschen zu versetzen! So erscheint im Zustand der Depression die Umgebung, ja die ganze Welt, finster, grau und trostlos. Alles, was mal Spaß gemacht hat, lässt einen vollkommen kalt. Der Körper fühlt sich an, als wäre er als Blei. Die kleinsten Handgriffe erfordern größte Anstrengung und Konzentration? WAS ist das?
Mir hat es immer sehr geholfen, Schilderungen von anderen Betroffenen zu lauschen. Dadurch fühlte ich mich verstanden.
Ein drüber & drunter Leben …
Willkommen in einer anderen Welt namens Depression. Die im übrigens schon viele Menschen durchlebt haben. Jeder von uns hat hin und wieder keine Lust oder zu wenig Energie, vor die Tür zu gehen, Freunde zu treffen oder einzuladen. Es ist auch vollkommen normal, manchmal nicht ans Telefon zu gehen oder nicht auf Nachrichten zu reagieren.
Nun sollte man aber auf keinen Fall einen solchen Tag oder Woche, mit einer ernsthaften Depression verwechseln! Davon spricht man erst, wenn es medizinisch abgeklärt ist und diese Verhaltensweisen zu einem „Dauerzustand“ werden. Eine Depression kann durch unterschiedliche Dinge und Situationen hervorgerufen werden und genauso verschieden Formen annehmen. Viele depressive Menschen verlieren z.B. ihre Begeisterungsfähigkeit.
Erfahrungswert: ICH
Ich glaube, bei mir war das der erste Hinweis, dass sich in mir etwas veränderte. Wenn Freundinnen gut gelaunt loslachten, kam bei mir kaum mehr als ein erzwungenes müdes Lächeln zum Vorschein. Ich fühlte mich innerlich wie eingefroren und von meiner Umwelt völlig abgekapselt. Dazu folgte ein nagendes Angstgefühl, dass mich dazu zwang, mich langsam völlig zurückzuziehen. Arbeit war nicht mehr möglich.
Alles, was außerhalb meiner eigenen vier Wände lag, empfand ich als bedrohlich. Nur mein eigenes Zuhause – da fühlte ich mich einigermaßen sicher. Anfangs jedenfalls … denn bald, ich glaube, es war nach etwa drei Monaten, kroch diese „bescheidene „Angst auch unter alle Türen und Fensterritzen. 🙁 Wenn es an der Tür klopfte, läutete, versetzte mich das in einen Angstzustand.
Wenn ich vor die Türe gehen musste, schließlich musste ich auch mal Essen einkaufen, bereitete ich mich den ganzen lieben Tag auf dieses Erlebnis vor. Ich ging bewusst erst 20 Minuten vor Ladenschluss und ich hatte das Glück damals, dass ein großer Laden direkt gegenüber meiner Stadtwohnung lag. So entstand ein Strudel aus RÜCKZUG & ANGST, der mich immer tiefer hinabriss. Irgendwann schleppte ich mich nur noch von A nach B und alles, was ich machte, kostete enorm viel Kraft!
In meinem damaligen Teufelskreis entstanden zunehmende negative Gedanken. Außerdem konnte ich kaum noch schlafen. Die Depression nagte an meinem „gesunden“ Tagesrhythmus! Die Folge war ein völliges „Drunter & Drüber“ in meinem Leben. Nur selten kam ich vor 13 Uhr aus dem Bett, weil alleine der Gedanke an meinen Tag mich so überforderte, dass ich erst gar nicht aufstand … 🙁
„Stell Dich doch mal nicht so an …“
Immer wieder bekommen Menschen mit Depressionen diese Aussage zugeschmissen. Sie sollen sich mal NICHT so anstellen! Diese Kommentare sind nicht nur ziemlich unsensibel, sie beruhen außerdem auf dem Missverständnis, dass eine Depression KEINE RICHTIGE Erkrankung, sondern bloß eine Art „Hirngespinst“ sein.
Wie ich ja schon oft in anderen Beiträgen von mir geschrieben habe, ist es bei einem gebrochenen Bein, Arm, einer sichtlichen Verletzung eben, ANDERS. Eine Depression SIEHT MAN NICHT! Sie lässt sich auch nur schwer „messen“. Deswegen kommen solche Äußerungen von Menschen, die einen vergleichbaren Zustand noch nie erlebt haben und deswegen kaum nachvollziehen können, wie dieser Zustand sich anfühlt!
ICH: Auch mir blieb das alles nicht erspart. Ich hatte mit vielen Vorurteilen zu tun, die mich auch sehr belasteten. Gerade wenn es aus den Familienreihen kam, von guten Freunden oder, wie bei mir, auch der Partner kein Verständnis dafür aufbringen wollte! „Reiß Dich zusammen, Du warst ja sonst immer so taff … warum bringst Du Dein Leben plötzlich nicht mehr auf die Reihe? Wer soll für Dich Dein Leben finanzieren, Du vertreibst alle“ … so waren die Dialoge. Manchmal fiel auch das Wort „Klapsenurlaub“. Ab da war es dann ganz vorbei.
Die Enttäuschung der Eltern und mancher Freunde war offensichtlich. Bemühungen gingen in die total verkehrte Richtung. Bis diese „Menschen“ den Kontakt ausschleichen ließen. „Du vergiftest mit Deinem Verhalten Deine Umgebung“ … sie konnten damit nicht umgehen. Somit war „Funkstille“. Ich war auf der einen Seite natürlich total enttäuscht und sehr traurig, aber auf der anderen Seite froh darüber, denn ich konnte diesen Wünschen und Anforderungen nicht gerecht werden und das belastete mich enorm! Ich wünschte mir damals nur eines: VERSTÄNDNIS und ANERKENNUNG meines Zustandes. Schließlich hatte ich mir nichts davon ausgesucht …
Der Wunsch nach einem besseren Leben …
Gerade während und in einer Depression ist dieser Wunsch mehr präsent als sonst! Nur leider fehlt der Antrieb, dafür etwas zu tun! Geht es uns schlecht, sehnen wir uns nach Besserung. Eine normale Sache.
ICH: Ich bestand ausschließlich aus negative Gedanken und trotzdem träumte ich von einem „normalen“, wieder besseren Leben. Ich malte mir manchmal aus, wie es sein würde, wieder mit Freunden wegzugehen, normale lustige Shoppingtouren zu machen, wie es wäre, zu Besuch bei der Familie zu sein? Schöne Abende mit einem neuen Partner zu verbringen – endlich von all dem Negativen loszukommen!
Nur leider halfen mir meine Wünsche gar nichts. Es änderte sich nichts. Dazu hätte ich hinausgehen müssen, mich ins Leben stürzen müssen, aber genau davon hielt mich meine Krankheit ab. Rational war mir das auch alles klar gewesen, nur raubte mir dieses tiefe Loch der Depression sämtliche Kraft und Energie, um mich tatsächlich aufzuraffen! Was blieb war alles „betäubt“. Essen oder hungern, Tabletten, Selbstverletzung … ein drunter und drüber Leben eben. ›traurig‹
Wenn gar nichts mehr geht, hilft nur noch die Klinik …
Eine Fachklinik bietet Menschen mit Depressionen Halt und die Chance auf einen Neubeginn. Es gibt so viele abwertende Bezeichnungen für psychiatrische Kliniken. Irrenanstalt, Klapsmühle, und andere. Diese Wortwahl macht es Menschen, die dringend psychologische Hilfe brauchen, natürlich auch nicht einfacher, eine solche Einrichtung aufzusuchen. Dabei können diese Einrichtungen ein wahrer Rettungsanker sein!
ICH: Als es bei mir so weit war und ich merkte, dass ich ohne Hilfe nicht mehr aus diesem Teufelskreis herausfinde, folgte ich dem Rat, meiner Therapeutin und meiner Fachärztin. Es war damals ein Notfall und so kam es, dass ich ohne darüber nachzudenken, einwilligte und umgehend in die Klinik gefahren wurde. Die ersten Tage bekam ich gar nicht mit. In den kommenden Tagen danach, war ich sehr skeptisch, aber merkte schnell, dass die Menschen hier sehr einfühlsam waren und sich rührend um mich und meinen Körper kümmerten. <3
Ich fühlte so etwas wie Geborgenheit. Ich hatte auch keine Angst, ich fühlte mich sicher und der langsam geregelte Tagesablauf, tat mir gut! In einem „stabilen“ Zustand nach beinahe 4 Wochen wurde ich entlassen. Eingestellt auf diverse Medikationen, begann nun das Warten auf eine andere Therapieeinrichtung. Diese Zeit war sehr schwierig und ich empfand nur unendliche Leere. Ich konnte nichts anderes tun als abwarten und fühlte mich in dieser Zeit noch gelähmter als zuvor …
Nach sechs Wochen war es dann so weit. Ich bekam eine neue Chance, nochmal NEU anzufangen. Die Realität holte mich sehr schnell ein. Anders als die erste Klinik, wo ich mich so wohl und gut behütet fühlte, war das das genaue Gegenteil. Angst und Ekel waren wieder da. Ich packte regelmäßig jeden Tag meine Sachen zusammen und wollte wieder abhauen. Und jeden Tag packte ich sie nach langen Gesprächen wieder aus … insgesamt hatte ich fast fünfzehn Jahre damit verbracht, mein Leben wieder NEU zu ordnen. Mit Therapeuten wöchentlich über viele Jahre, Klinikaufenthalten und Reha-Einrichtungen, die über Monate dauerten. NICHT alle Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe, waren positiv! Vieles passte nicht zu meinem Wesen und schleuderte mich oftmals um Monate wieder zurück.
Aber letztendlich, hat mir diese Arbeit mit und an mir, durch Hilfe von Außen, SEHR viel gebracht. Eine Depression ist eine schwerwiegende Krankheit, an der die Betroffenen KEINE Schuld haben! Leider ist das alles immer noch ein Schambesetztes Thema in unserer Gesellschaft. Depressionen führen u.a. zu Isolation und Lethargie und sind nicht immer einfach zu behandeln.
Das liegt daran, dass sich das Krankheitsbild von Fall zu Fall sehr unterschiedlich zeigen kann und von einer Menge anderer Faktoren beeinflusst wird. Umso wichtiger ist es, VERSTÄNDNIS aufzubringen, Gefühle bei sich selbst oder anderen ERNST zu nehmen UND dabei NICHT zu vergessen, dass Depressionen ein Zustand sind, aus dem man sich auf jeden Fall befreien kann.
Darüber reden, das ist es, was uns hilft. Da ich weiß, dass sich viele meiner Leserinnen mit diesem Thema auseinandersetzen, habe ich mich in diesem Beitrag dazu entschlossen, meine persönlichen Gefühle und Emotionen der damaligen Zeit, auf den Tisch zu legen. Es war wie es war und wenn ich damit nur ein wenig Trost verschicken kann, hat es seinen Teil erfüllt!
Du weißt ja, „TEILEN“ ist immer gern gesehen. Wenn Du als jemanden kennst, der diese Zeilen gerade brauchen kann – teile sie mit diesem Menschen.
Danke für Deinen Besuch und falls es Dir gerade nicht gut geht – gib Dir die Zeit, aber nimm auch Hilfe an! Es darf sich auch wieder verändern!
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