Gedankengänge #87

Inspiration, Persönliches

Positiv bleiben, Krisen als Chance begreifen – DANKE, heute NICHT. Du denkst Dir vielleicht, welch komische Einleitung? Ja, geb ich zu, ich tat mir etwas schwer, die richtige Worte zu finden. Aber wenn DU Authentizität und Ehrlichkeit schätzt, wenn Du die Nase voll hast auf die ewige Suche nach dem großen Glück UND wenn Du vielleicht zu den Meckerköpfen zählst, dann bist Du heute hier SEHR richtig. 😀 Lehne Dich zurück und folge mir. ›zwinker‹

Ein Weckruf gegen die „Glücksverblödung“

Ja nun, ich bin weiß Gott nicht die größte Teetrinkerin, aber manchmal hab ich schon Lust mal auf einen besonderen Tee. In der Drogerie stehend, fühle ich mich dann immer ein wenig überfordert. Reizüberflutung pur, sag’ ich mal. Meterlange Regale mit Teesorten, die ich gar nicht kenne UND die mit mir „sprechen“. Entspann Dich, sagt der eine … träum schön, flüstert der andere. Und ein Übermotivierter in Beutelform ruft mir zu „Fühl Dich wie NEU“! Von dem Glücksbotentee & Wohlfühltee ist gar keine Rede. So einfach ist Tee kaufen dann doch nicht.

Ich weiß, das mit dem Tee ist nur ein Beispiel. Aber auch die Sprüche in der Kosmetikabteilung ähneln sich sehr! Aber Tees & Duschbäder sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Art und Weise, wie all das beworben wird, sind nur die Symptome für ein größeres gesellschaftliches Problem, denke ich.

Es ist an manchen Tagen einfach so: Der Tag beginnt durch irgendetwas nicht sonderlich gut. Der Blick nach draußen – es regnet und in Wahrheit würden wir lieber wieder ins Bett zurück. Und oft geht das nicht nur einen Tag so, sondern gleich eine ganze Woche! Kennst Du?

WAS denkst Du dann? Befürchtest Du, dass mit Dir etwas nicht stimmt? Fühlst Du Dich vielleicht etwas „waschlappig“ und machst Dir selbst Vorwürfe? Immerhin geht es doch sonst prima und allen anderen sowieso! Jedenfalls scheint es so, wenn man sich in den Social-Media-Kanälen umsieht! Ein trendiger Cocktail entspannt am Strand … oder am Weg vom Yoga-Retreat zum Selbstfindungstrip in den Anden usw … viele meinen, wem das nicht auch möglich ist, muss sich in der „Loser-Reihe“ hinten einreihen.

Jeder hat sein Glück selbst in der Hand, so das Credo der positiven Psychologie. Plötzlich bräuchten alle, egal ob gesund oder krank, Hilfe. Mit dem richtigen Mindset wachsen wir sogar in den schlimmsten Krisen und können die als Chance nutzen.

Wir sollen selbst im Leid noch produktiv sein. In der Pandemie wurde uns ja auch immer erzählt, WAS wir alles TUN sollen und KÖNNEN, um das Beste aus dieser Zeit machen. Tausende starben alleine in Deutschland und Österreich … aber hey, die Luft hat sich verbessert und in Venedig ist das Wasser wieder sauber! Topo. Immer und um jeden Preis etwas Positives zu finden, nennt man auch toxische Positivität. Was heißt’s genau? Was fällt mir dazu ein … wenn z.B. Frauen mit Haarausfall geraten wird, diesen doch als Chance zu sehen für einen neuen „Look“. 🙁  Wenn es nicht so makaber wäre, könnte ich darüber nur lachen.

Das Problem ist aber, dass sich unsere Wahrnehmung verzerrt. Es wird uns suggeriert, dass wir mit der richtigen Einstellung ALLES bewältigen können. Selbst schwere Krankheit. Das sogenannte magische Denken. Es kann zu einem gefährlichen Spiel werden, wenn Menschen mit einer schwerwiegenden Erkrankung wichtige Behandlungen sausen lassen, weil sie auf die Kraft des positiven Denkens setzen! Gut und nett gemeint – aber NICHT zuverlässig. Es geht im Leben nicht immer alles glatt UND wir haben nicht alles in der Hand. Dieser WAHRHEIT sollten wir klar ins Auge schauen und sie akzeptieren.

Und dann, in den nicht so glatt verlaufenden Momenten, kommen SIE ins Spiel. Die „Glücks-Tee Mischungen“ & „Balance-Dusch-Perlen“ UND die COACHES … unsere Mach-mich-besser-Trainer. Es gibt sie für ALLE Themen und Lebensbereiche. Es gibt sie für die Partnerschaft, das Unternehmen, Sex und Konflikte, selbst für den perfekten Umzug und Ordnung in den eigenen vier Wänden habe ich entdeckt! Und weil der COACH eben KEIN geschützter Begriff ist, kann jeder seinen „Schabernack“ damit treiben und in Goldgräberstimmung das eigene Tascherl füllen.

Ich hatte mal einen dieser Menschen NACH meiner Coaching-Stunde gefragt, ob er denn Erfahrung hätte bei dem, was wir hier so besprechen. Seine etwas verzögerte Antwort war nein, aber er hätte viele Kurse besucht und jede Menge gelesen darüber. Kostete viel – brachte nix. Was ich damit sagen will ist, es gibt zu viele „Möchtegern“, die sich Coach nennen und als solche verkaufen. Sie versprechen Dir Glück, Zufriedenheit, Dankbarkeit und innere Balance. Am Ende bist Du pleite und auch nicht glücklich!
(Natürlich gibt es auch Menschen, die das, was sie tun, auch richtig GUT können … ist nur wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen oder für Normalverdiener nicht leistbar.) Mein Erfahrungswert. ›zwinker‹

Frag Dich mal …

Ist das Streben nach dem perfekten Glück überhaupt sinnvoll? Es gibt Psychologen, die sich dafür einsetzen, dass das sogenannte Happiness-Syndrom in das internationale Register attestierter Krankheiten eingefügt wird. Weil Menschen in Freudenrausch irrationales Verhalten zeigen. Sie überschätzen sich selbst und sehen ihre Umwelt nicht realistisch. Setz Dich mal in einen Bus mit Fans irgendeiner Fußballmannschaft, die gerade gewonnen hat. Dann verstehst Du, was ich meine! 🙂 Glücksgefühl pur!

Es gibt eine Glücksformel, die sich so zusammenstellt: Das Glücksempfinden ist zu 50 % genetisch bedingt, zu 10 % Schicksal und die restlichen 40 % sind unsere Entscheidung.

Nur Glück lässt sich halt so verdammt schwer messen. WICHTIG ist, dass wir uns klarmachen, was das alles mit uns macht! Wenn immer mehr Verantwortung auf das Individuum verlagert wird, sehen wir uns dazu gezwungen, andauernd mit uns selbst im Kampf zu stehen. Dabei verlieren wir die Solidarität. Wir verlieren den Blick für das Gesamtwohl. Wir verschwenden so viel Kraft damit uns selbst zu optimieren, dass wir keine Zeit mehr dafür über haben, uns für gute Bildung, faire Arbeitsbedingungen oder eine angemessene Gesundheitsversorgung einzusetzen. (Das nur nebenbei …)

Immer glückliche Menschen schimpfen nie! Ist Dir das auch schon aufgefallen? Kein Fluchen … keine Kraftausdrücke … kein Ausrasten … nix. Stattdessen nur gute Vorsätze, Entspannungsmusik und – natürlich muss das jetzt sein, der „Glücks-Tee“. 🙂 Mich gibt es hier doch schon eine ganze Weile. Genaugenommen seit 7 Jahren schreibe ich meine Gedanken öffentlich. Und jeder, der mich von Anfang an begleitet hat, weiß, wie ich ticke. Wie bemüht ich bin, Positives in die Welt zu tragen, ohne selbst immer positiv zu sein! ICH bin NICHT immer glücklich! Und ehrlich jetzt – ich möchte und kann es auch nicht. Es wäre mir vielleicht auch zu langweilig?

Schimpfen ist gelebte Freiheit und hilft, den Schmerz besser zu ertragen

DAS weiß ich zu 100 %! Schimpfen und manchmal Fluchen … so darf das sein. Das ist befreiend und hilft erwiesenermaßen dabei, Schmerz und Ärger besser zu ertragen. In einer meiner zahlreichen Therapien mussten wir sogar hinausgehen, um Dampf abzulassen. Da gab es den „Schrei-Tunnel“ der ein gut besuchter Ort (auch für mich) war. Was passierte dabei? Das Adrenalin steigt und man spürt weniger Schmerz, Wut, Angst usw.! Schimpfen ist also verbales „Morphium“. Es ist ein Ventil. Ich persönlich bin für körperliche Auseinandersetzungen nicht wirklich gebaut … ich drücke mich lieber emotional aus, statt etwas herunterzuschlucken. Es signalisiert auch „Hey, es gibt Redebedarf“!

Ist Schimpfen wirklich negativ und schwach? Nein, ich seh das anders. Gesunde Negativität ist ein Motor für den Wandel zum Besseren. Und es weckt unseren Ehrgeiz. „Verdammt nochmal, da muss es doch eine Lösung geben!“ Statt sich einen Komm-ins-Gleichgewicht oder Chill-Dich-weg-Tee aufzubrühen, darf man auch mal energisch und laut nach einer Lösung suchen! Was ich sagen will, wenn man die Dinge hinnimmt, wie sie sind, gibt es KEINE Veränderung und auch keine Lösung dafür! Den Fortschritt verdanken wir den unzufriedenen Menschen!

Noch etwas. Wer negativ denkt, hat nicht nur ein wachsameres Auge für die Ungerechtigkeiten im Leben, er hat auch ein größeres Herz. Findest Du jetzt sicher irre. Bei einem Experiment aus der Spieltheorie, bei dem ein Spieler etwas von seinem Besitz abgeben kann, zeigte sich EINDEUTIG, dass die GROSSZÜGIGKEIT des Probanden von seiner Grundstimmung abhängt. Positiv gestimmte Spieler teilten ihren Einsatz kaum … die traurigen hingegen schon. ICH lag bei der Einschätzung total daneben. Traurige unglückliche Menschen fragen sich eher, WIE es anderen geht. Sie hatten in allen Situationen das größere Herz.

Nicht so glückliche Menschen bewahren sich durch ihre Skepsis und das Nein zu gesellschaftlichen Zwängen zu MEHR Autonomie und Authentizität. Sie sagen halt nicht zu allem JA & AMEN. Sicher, mit einem JA würden wir den Flow der Dinge weniger „stören“. Aber ICH sage lieber auch mal sehr unerschrocken NEIN und setze auf eine radikale Ehrlichkeit oder beende das Gespräch mit „DANKE, heute NICHT.“

Jetzt zum Abschluss und noch mal durchgelesen, passt dieser Artikel nicht in mein so positives Portfolio.
Oder aber, er passt gerade deswegen sehr gut … ich wähle letzteres.

Positiv denken … optimistisch bleiben und Krisen als Chance begreifen. Die Aufforderung des Glücks springt uns nicht nur aus Selbsthilferatgebern entgegen. Selbst das Marketing für Tees, Cremes und Duschbäder will uns gute Laune vermitteln und uns allen Ernstes erklären, wie wir MEHR aus unserem Leben machen können. Heute war mir nach Aufräumen mit dem ganzen Glücksterror und auch mal das GUTE am „Negativen“ loben. 🙂

Xo Sandra

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