ATEMPAUSE … Zeit für die Zeit zwischendurch. Eine aufrichtige Umarmung ist eine liebevolle Geste, die dem anderen sagen soll „Ich mag Dich so wie Du bist.“ Sie ist nicht zu verwechseln mit Umklammerung und dem Nicht-Loslassen-wollen, dessen was wir gern haben und lieben. Ich habe eine sehr schöne Geschichte gefunden, die mich auch sehr an meine Kindheit erinnert … von Gisela Baltes
DAS LEBEN UMARMEN
Nie habe ich eine lebenslustigere Frau kennen gelernt als meine Großmutter. Sie war spontan, temperamentvoll und immer gut drauf. Mein Großvater dagegen war ernsthaft und grübelte viel. Das Leben schien ihm oft eine Last zu sein. „Du musst das Leben umarmen!“ sagte ihm meine Großmutter dann. Aber mein Großvater zuckte darauf nur hilflos die Schultern.
Wie oft habe ich diesen Satz meiner Großmutter gehört. Was das bedeuten sollte, war mir völlig klar. Über dem Sofa meiner Oma hing nämlich seit eh und je ein Foto. Es zeigte Opa und Oma in herzlicher Umarmung. Für mich war es selbstverständlich, dass es so aussah, wenn man das Leben umarmte. Hin und wieder versuchte ich das mit meinem kleinen Bruder nachzumachen, was der aber gar nicht mochte.
Eines Tages als Oma wieder mal ihr Lebensmotto zum Besten gab, wollte ich mit meinem Wissen punkten und sagte: „Stimmt Oma, das Leben umarmen, dass ist so wie auf dem Bild da.“ Sie lachte und sagte „Ja, manchmal ist es so, aber nicht immer.“ Sie zog mich auf ihren Schoß und machte aus ihren Armen ein Nest, wie das niemand besser konnte. „Warum nehm ich dich wohl in den Arm, Herzchen?“ fragte sie. „Weil du mich lieb hast.“ „Genau!“ sagte die sie „und das Leben umarmen, heißt das Leben lieb haben.“
Da kamen mir die vergeblichen Versuche mit meinem Bruder in den Sinn: „Aber Benno mag das gar nicht, wenn ich ihn umarme.“ Oma lachte „Ja wenn er das nicht mag, dann musst du ihn auch wieder loslassen. Umarmen heißt nicht festhalten. Das wird dir im Leben immer wieder passieren, dass du wieder loslassen musst was du umarmst.“ „Warum, weil ich das nicht mehr lieb habe?“ „Nein, lieb hast du es trotzdem weiter. Ich habe dich doch auch lieb, wenn du nicht auf meinem Schoß sitzen sondern spielen möchtest. Ich hab dich immer lieb, egal was ist.“
„Auch wenn du manchmal Sachen machst, die mich etwas traurig machen. Und genauso kann man das Leben lieb haben, auch wenn einem da manchmal traurige Dinge passieren.“ Was sie mir damit sagen wollte, verstand ich erst einige Jahre später richtig, als bei meinem Großvater die Parkinsonsche Krankheit festgestellt wurde. Sein Zustand verschlechterte sich in immer neuen Schüben. Über Jahre hinweg versorgte ihn meine Großmutter mit der ihr eigenen Vitalität, ohne je zu klagen. So wie sie früher fröhlich genossen hatte, „umarmte“ sie nun auch diese schweren Zeiten.
Als Großvater schließlich starb, sah ich sie zum Ersten und Einzigen mal weinen. Etwas unbeholfen umarmte ich sie und versuchte zu trösten. „Ich hab dich lieb Oma. Und auch der Opa hat dich lieb. Aber ich glaube, der Opa wollte trotzdem nicht mehr leben.“ Oma sagte „Ja Herzchen, ich weiß, ich muss ihn loslassen.“ Und dann, nach einer Weile fuhr sie fort „Und ICH werde auch weiter das Leben LIEB haben, auch wenn es mich traurig macht. Aber in den letzten Jahren habe ich gelernt, wie schwer es ist, in traurigen Zeiten das Leben zu umarmen. Oft hatte ich einfach nicht mehr die Kraft dazu und hab losgelassen und gedacht, dass nun alles aus ist. Doch dann habe ich gemerkt, dass das Leben MICH umarmt und mir Menschen geschickt hat, die mir wieder Kraft gegeben haben … so wie du jetzt gerade.“
Ja, es sind nur Geschichten, aber sie sind keineswegs aus der Luft gegriffen! Das Leben zu umarmen heißt, lebendig zu sein … es selbst zu gestalten, bewusst zu leben! Das Leben umarmen heißt auch, es mit offenen Armen zu empfangen, JA zu sagen, so wie es uns begegnet.
Eine schöne Restwoche, pass auf auf Dich … fühl Dich umarmt.
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