Nichts geht verloren und alles wird gespeichert in jenem Bereich unserer Psyche, den Psychologen das „innere Kind“ nennen. Es ist der Teil, der unsere Persönlichkeit formt. Wenn wir uns mit ihm verabreden und Kontakt aufnehmen, können wir mehr über unsere Stärken, unsere Verletzungen und Wurzeln erfahren. Es gibt sie wirklich, diese Chance gemeinsam zu heilen und zu wachsen.
Die Heilung des inneren Kindes
Ich traue mich ja nur sehr selten über dieses Thema. Es begleitet mich schon mein ganzes Leben. Anfangs unbewusst, je älter ich wurde, sehr bewusst. Ich habe (musste) mich in unzähligen Therapien intensiv damit auseinandersetzen … IMMER mit einem Widerwillen, weil es in mir höchstes Unbehagen auslöst(e). Ich kann es nicht mehr sagen, wann die Zeit war, als es „leichter“ … besser wurde.
Unser inneres Kind umfasst das gesamte Spektrum intensiver Gefühle von riesengroßer Freude bis hin zu abgrundtiefem Schmerz. Es kann die Quelle des Selbstvertrauens, des Glücks und der Kreativität sein. Es kann aber auch der Ort der Trauer, der Dunkelheit und des Schmerzes sein. Wenn wir uns damit auseinandersetzen und unser inneres Kind annehmen, es sehen und mit ihm anfreunden, können wir unser Potenzial entfalten. Kurz gesagt: Wir können bewusst GANZ sein.
Persönliches:
Besonders wenn ich mit sehr dominanten Menschen zusammen war, konfrontiert wurde, spürte ich mein inneres Kind am aller deutlichsten. Ich sagte dann die meiste Zeit nichts. Ich ging zwei Schritte zurück und machte mich dadurch unbewusst zur Außenseiterin. Meine Eltern waren sehr streng und mochten keine Fehler. Selbst in meinem Job bin ich wie versteinert dagestanden, wenn ich zu Unrecht kritisiert wurde! Durch die intensive Auseinandersetzung mit meinem inneren Kind schaffte ich es mich zu behaupten … zu zeigen und nicht mehr nichts zu sagen.
Das Kind in uns bestimmt unser Leben
Ich finde es ja sehr spannend, dass unser inneres Kind auch im erwachsenen Leben NICHT verloren geht! Es sind vor allem die frühkindlichen Erlebnisse, die uns prägen und mitreisen, in unser späteres Leben. Alles ist gespeichert! Die wundervollen Erlebnisse, liebevolle Zuwendung, Sicherheit und Geborgenheit speichern wir genauso ab wie negative Erfahrungen, belastende Emotionen und Kränkungen. Licht & Dunkel … alles, was wir als kleiner, junger Mensch getan, erlebt und gefühlt haben, bleibt in uns verankert. Es kann unser Verhalten nachhaltig beeinflussen.
Persönliches:
Als Kind habe ich mich immer so „unwichtig“ und fehl am Platz gefühlt. Mit etwa sieben, acht, neun Jahren, kompensierte ich diese Gefühle durch mein angriffslustiges Verhalten. Ich prügelte mich mit Jungs und gab patzige Antworten, wenn ich etwas gefragt wurde. Irgendwann merkte ich, dass ich genauso „schlau“ bin und mir einen Platz verschaffen konnte wie andere Mädchen in meinem Umfeld … nur eben anders. So entwickelte ich meinen eigenen Glaubenssatz – von „ich bin unwichtig und wertlos“ zu „ich kann machen, was ich will.“
Manchmal zeigt sich dieser schwache Anteil immer noch. Und zwar dann, wenn ich etwas nicht auf die Reihe gebracht habe, mir etwas misslungen ist und der Gedanke auftaucht „war ja natürlich wieder klar“. Wenn das passiert, nehme ich die „Kleine“ gedanklich in die Hand und sage ihr: „Es darf sein, durch Fehler lernst DU“ …
Was hat uns geprägt?
Egal ob unser inneres Kind in der Sonne oder im Schatten aufgewachsen ist, es ist DAS Kind, das wir einmal waren. Sauber, klar, unschuldig, sensibel, lebendig und verletzlich. Wir waren völlig abhängig von der Liebe und Zuwendung unserer Eltern. Dieser psychische Anteil gehört zu uns, in welcher Gestalt und Ausprägung auch immer. Egal ob uns das gefällt oder nicht. Dieser Persönlichkeitsanteil ist uns nur selten bewusst! Wenn wir durch die „ich bin unwichtig und werde nicht wahrgenommen-Brille“ in die Welt blicken, kann es leicht passieren, dass wir ein nettes freundliches Lächeln eines anderen als „blödes Grinsen“ falsch interpretieren!
Diese Menschen werden dann als „Selbstwert bedrohlich“ wahrgenommen und wir werden sie in der Folge abwerten. Wir sollten daher erkennen und erkunden, welche Prägungen unserer „Brille“ zugrunde liegen. Anders gesagt – erkennen, woraus unsere Wahrnehmungsverzerrung(en) bestehen.
Persönliches:
Ich hatte, seit ich mich an meine Gedanken erinnern kann, das Gefühl, „anders“ zu sein. Ich sollte in einer Therapie mein inneres Kind beschreiben: DAS, dauerte sehr lange. Nach Tagen formulierte ich es so: „wild, frei, frech, gerne in der Natur, introvertiert, aber auch sehr ängstlich.“ Ich hatte immer das eigenartige Gefühl, nicht angenommen zu werden. Nie wirklich wahr genommen zu werden. Andere Menschen stressten mich sehr schnell, da ich deren Gefühle schon immer wahrnehmen konnte! Ein Großteil ist bis heute so geblieben. Daher brauche ich Rückzugsmöglichkeiten … mega viel Zeit für mich. Ich folge heute mehr der Stimme meines inneren Kindes und stehe dadurch mehr zu mir. Und das, schenkt mir Selbstvertrauen. 🙂
Auf der Suche nach der eigenen Geschichte …
Also, WAS ist mit uns passiert? Ehrlich jetzt: hast Du Dich jemals gefragt, warum Du in bestimmten Situationen auf eine bestimmte Weise reagierst? Oder warum Du eine bestimmte Angewohnheit, die Dich stört, nicht ablegen kannst? Anstatt mit uns scharf ins Gericht zu gehen und zu fragen „WAS, stimmt nicht mit mir?“, sollten wir lieber fragen „WAS, ist mit mir passiert?“ Indem wir uns auf die Suche machen. Auf die Suche nach der Wurzel unseres Schmerzes. Tun wir das, werden wir beginnen, langsam zu verstehen. Warum wir sind wie wir sind. JEDES (traumatische) Erlebnis kann dazu führen, dass unsere Lebendigkeit in Ketten liegt und unser Selbstwertgefühl in einer leidenden „Endlosschleife“ hängt.
So etwas ist schwer alleine aufzuarbeiten – verdrängen, das schaffen wir alleine SEHR gut. Mich hat dieses „Verdrängen“ Jahrzehnte lang ausgebremst. Als Erwachsene beispielsweise, war meine Reaktion auf Stress nie die beste und vor allem gesündeste gewesen! Ich suchte „Ventile“, die mir schadeten.
Persönliches:
Auf einem der wenigen Kinderfotos von mir, die ich besitze, stehe ich bestens positioniert und mit Blumen in den Haaren da. Die Arme in Siegerpose hoch! ›lach‹, Ich war da ungefähr zehn Jahre alt. Mein Leuchten in den Augen war auf den Bildern nie zu übersehen, denn dieser Moment galt mir ganz alleine. Und obwohl ich ein geordnetes Zuhause hatte und es mir an materiellen Dingen nie fehlte, war ich früh auf mich gestellt. Ich wurde zu jemandem, der andere eher auf Distanz hielt und mit Fehlern nicht gut leben konnte. Heute bin ich jemand, der immer einen Plan B hat und das Leben in jeder „Lage“ annehmen kann und ich glaube sagen zu können – perfekt auf die Reihe bekommt. 😀
Die Reise zu meinem inneren Kind hat mir so vieles gezeigt und gelehrt! Ich versuche IHR heute viel Raum zu geben … die Kontrolle abzugeben … „weicher“ sein und mich in etwas verlieren dürfen! Ich wünsche mir sehr, dass es mir noch besser gelingen wird. <3
Warum wir sind WIE wir sind
Harmoniebedürftigkeit, Anpassungsfähigkeit, Folgsamkeit bis hin zur Selbstsabotage lassen sich sehr oft auf ein tief verankertes Trauma zurückzuführen. Manchmal wissen wir es gar nicht, dass wir es in uns tragen! Unser Gehirn wird in einzigartiger Form durch die Erfahrungen geprägt, die wir als Kinder gemacht haben. Es wichtig zu wissen, dass wir als Kleinkind sehr viel mehr Informationen aufgenommen haben als wir es vielleicht glauben. JEDE einzelne sensible Erfahrung, die wir als Kind machen, wird in einem persönlichen CODEBUCH in unserem Gehirn gespeichert. Mir war das selber nie wirklich bewusst.
Unser Gehirn vergisst nichts. Ein gesundes und liebevolles Umfeld kann helfen, dem „Schattenkind“ in uns, wieder Vertrauen in die Welt und in sich selbst zu entwickeln. Ich weiß aber leider auch, dass es innere Kinder gibt, die diese Unterstützung nicht erfahren. Die immer noch in dem Glauben stehen, wertlos zu sein. Nicht erwünscht zu sein. Nicht in Ordnung zu sein … FALSCH zu sein so wie sie sind. 🙁
Mein Tipp dazu – weil es mir genauso ergangen ist. Ich war alleine und stellte mich dieser Aufarbeitung alleine. Sei Dir selbst Dein liebevollstes Umfeld. Und traue Dich, Unterstützung anzufordern. Es wird so viel leichter!
Den alten schweren Rucksack ablegen …
So wie positive Dinge, die wir als Kind erlebt haben, wirken sich auch die nicht so schönen Erfahrungen auf unsere Persönlichkeit aus. Jeder, der mich liest weiß, dass ich mich erst in den letzten zehn Jahren aktiv und intensiv, zahlreichen Herausforderungen gestellt habe. Von emotional bis körperlich war alles dabei gewesen. Es ist auch bis heute so geblieben. Herausforderungen kann man nicht einfach abstellen … wir können sie auch nicht im Voraus abarbeiten!
FAZIT:
Deswegen scheue ich mich auch nicht, meine eigentlich unspektakulären Geschichten mit anderen zu teilen … anzusprechen. Aus diesem Gedanken heraus ist auch dieser Beitrag wieder entstanden. Dank meiner zahlreichen therapeutischen Unterstützungen war ich irgendwann wieder in der Lage, meinen emotionalen schweren Rucksack in der Vergangenheit stehenzulassen. Ich war nicht bereit, dass „ER“ meine Zukunft ruiniert! Heute gelingt es mir gut, gesunde Grenzen zu setzen. Mit Leichtigkeit NEIN zu sagen und ich habe für mich erkennen dürfen, dass es NIE zu spät ist, sich Regulierungsstrategien anzueignen und zu trainieren! ›lächel‹
Es funktioniert in jedem Alter, das innere Gleichgewicht wieder auf „Zack“ zu bringen. Der Mangel an Liebe, den ich als Kind bis ins erwachsene Alter erlebt habe, hat mich dazu gebracht, meine „einsame“ Unabhängigkeit zu entwickeln. LIEBE … darf ich heute auch genießen. Meine Vergangenheit, sehe ich als Geschenk. Denn ich bin der Meinung, dass es sehr schwer bis nicht möglich wäre, die Menschen zu verstehen, wenn ich keinerlei Erfahrungen auf diesem Gebiet gemacht hätte.
Was ICH … was WIR zur Heilung benötigen, ist die Versöhnung und Vergebung mit unserem inneren Kind! „Niemand muss den Schmerz am Leben erhalten, um die Wahrheit am Leben zu erhalten.“ Ein Satz den ich mir von damals mitgenommen habe, und an DICH weitergebe. 🙂
Jetzt möchte ich Dir noch eine schöne Zeit wünschen. Höre auf Dein stets neugieriges innere Kind, wenn es Dir wesentliche Fragen stellt. Wie z.B. „wird mich das glücklich machen?“ >zwinker<
Bis ganz bald wenn Du magst …
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