Einen guten Umgang mit unseren Eltern zu haben ist selbstverständlich wünschenswert und doch ist das gleichzeitig ein heißes Thema. Eltern hinterlassen die größten Spuren in unserem Leben. Jeder Mensch wünscht sich von seinen Eltern geliebt zu werden. Doch was wenn dieser Wunsch durch die Vergangenheit wie eine Seifenblase zerplatzt ist? Gerade wenn man eine lieblose, schwierige oder traumatische Kindheit hatte? Wie gehen wir damit um, wie gestalten wir den Kontakt, dass es uns hinterher noch gut geht?
Ein brisantes Thema das viele von uns betrifft. Insbesondere wenn Eltern schon im fortgeschrittenen hohen Alter sind und vielleicht auf Hilfe angewiesen sind, werden wir mit Entscheidungen konfrontiert, die auf unsere Beziehung zu und mit ihnen verweisen. Da stellt sich dann die Frage: Wie engagiert wir sein können bzw. sein wollen!
Es gibt keine Richtlinien
Für den Umgang mit unseren Eltern gibt es keinen „richtig oder falsch“ Plan. Es gibt keine Richtlinien. Das Einzige was es gibt, sind Versuche und Lösungen zu finden, die aber jeder individuell für sich finden muss.
Ich habe zu diesem Thema natürlich meine ganz eigene Meinung gefunden. Vielleicht sollte ich sagen – finden müssen. Wäre ich eine Anwältin, dürfte ich diesen Fall nicht bearbeiten … zu sehr bin ich darin verfangen. Meine Meinung ist vielleicht nicht repräsentativ . Ich bin nur der Meinung, dass ich alles machen darf, was für mich gut ist. Kurz gesagt, warum sollte ich mit Menschen in Kontakt stehen, die mir nicht gut tun und die mich immer wieder in meinen eigenen Bemühungen um sie zurückwerfen um meine (unsere) Geschichte zu verarbeiten? Es würde mein Leben erschweren.
Die liebe Moral
Beim Eltern – Kind Thema, der Kontakt und der richtige und wichtige Umgang mit ihnen … spielt meines Erachtens häufig übertriebene Moral mit. Moralisch gesehen ist es Pflicht sich um seine Familie zu kümmern, dass wird bei Gesprächen mit anderen immer wieder klar. Aber was ist, wenn die Eltern uns auf Grund unserer Person, unseres Charakters, unseren Handlungen und Meinungen nicht mehr mögen? Das gibt es leider sehr oft.
Unsere Gesellschaft hält an christlichen Erziehungsstrukturen fest, die ohne ausgesprochen zu werden noch allgemein gültig sind. „Du sollst Deine Eltern ehren und lieben …“ Überall wird uns vermittelt, dass wir mit Mutter und Vater gnädig sein sollen. Wir sollen sie in allen Lebenslagen verstehen. In einer gesunden Beziehung zu seinen Eltern ist das auch definitiv möglich und normal. Was aber tun wenn es nicht so ist? Ist es nicht das Wichtigste darauf zu achten wie es uns selbst dabei geht?
An diesem Thema habe ich viel zu „kauen“. Ich habe aber gelernt, und ich kann sagen das war oder ist, eine der schwersten Lektionen meines Lebens: Wir müssen Eltern nicht alles verzeihen, noch muss man mit ihnen alles aufarbeiten. Man muss auch nicht den Kontakt aufrecht erhalten. Wir sollten darauf achten, was für uns Sinn macht und was uns gut tut.
Die Hoffnung loslassen ist ein guter Weg
Warum möchten wir den Kontakt zu unseren Eltern nicht ganz aufgeben? Die Frage stellte ich mir selber immer wieder. Geht es darum doch noch ein „es tut mir leid“ zu hören … vielleicht doch noch eine Schaufel Liebe zu erhaschen und gesehen zu werden? Funken der Hoffnung sind eher negative Voraussetzungen um den Kontakt aufrecht zu halten, das musste ich selbst erfahren. Denn meistens setzt sich die Enttäuschung und die immer tiefere Verletzung dadurch fort!
Ist es nicht so, dass wir uns immer mehr an Menschen binden und uns bemühen bei denen wir nie landen können? Wir haben uns nie geliebt und satt gefühlt, und das bindet uns mehr an solche Menschen, als hätten wir alles bekommen … leider ist das eine Tatsache.
Also ich kann aus meinem Leben berichten, dass die Wahrscheinlichkeit zu bekommen was ich mir diesbezüglich gewünscht hätte sehr gering bis nicht eingetreten ist. Ich habe gelernt mich von meinen Erwartungen an die Familie zu trennen. Die Hoffnung loszulassen. Ich habe es betrauert (tu ich immer noch), es ist unsagbar schmerzlich aber es half mir einen anderen Umgang damit zu finden. Der innere Abschied lässt mich freier sein.
Das Leben … ein Geben und Nehmen
Persönlich bin ich der Meinung, dass wir gerade in sozialen Interaktionen ein direktes Feedback zurückbekommen. Das heißt wenn ich meine Beziehung positiv gestalte, kann ich sicher sein auch etwas zurückzubekommen. Sind Menschen nicht dazu in der Lage, wird sich das Umfeld schnell reduzieren.
Nun, dies kann auch bei den eigenen Eltern vorkommen. In dem Fall sind wir nicht dafür verantwortlich, diesen Mangel auszugleichen, nicht mal dann, wenn unsere Eltern alt werden. Wir leben nicht mehr unter einem Dach und können uns frei entfalten, auch ohne unsere Eltern!
Falls Du Dich in einer ähnlichen Situation befindest, darf ich Dir raten Dich von den vielen Gewissensfragen und Gedanken zu verabschieden. Lege sie bei Seite. Ich muss jemandem verzeihen und ich muss für alle dasein. Das sind Phrasen die so nicht stimmen. Stattdessen solltest Du Dir die Frage stellen „Womit geht es Dir besser? Mit oder ohne Kontakt zu Deinen Eltern“. Und dem Gefühl solltest Du folgen.
Du stehst jedenfalls nicht in der Pflicht Dich zu kümmern, vor allem dann nicht, wenn Du nach jedem Besuch Tage brauchst um Dich wieder zu erholen und um die Vorwürfe zu verarbeiten! Wären es Freunde, wir würden sie nicht mehr besuchen und die Freundschaft mit Sicherheit beenden.
Perspektivenwechsel
In meiner therapeutischen Aufarbeitung wurde mir diesbezüglich ein Perspektivenwechsel vorgeschlagen. Ich sollte mir vorstellen, meine Eltern durch ein Fenster zu beobachten, während sie in einem Cafe sitzen. Ich sollte sie ganz wertfrei und neutral beobachten mit viel Abstand. Und dann sollte ich wahrnehmen ob ich diese „Menschen“ interessant finden würde, ob sie auf mich einen freundlichen sympathischen Eindruck machen. Ob sie etwas „Gutes“ ausstrahlen oder ob sie möglicherweise ignorant und kühl auf mich wirken. Danach sollte ich wahrnehmen ob ich das Bedürfnis verspüre mich zu ihnen zu setzen.
Es war eine eigenartige Betrachtung aber eine sehr hilfreiche.
Lass das schlechte Gewissen fliegen
Das Leben von schlechtem Gewissen steuern zu lassen, würde bedeuten, dass wir immer damit beschäftigt wären, es anderen recht und sie glücklich zu machen! Das schlechte Gewissen das wir von unseren Eltern gelernt haben, ist kein guter Ratgeber. Das schlechte Gewissen wurde für mich zu einem Thema das viel Arbeit in Anspruch genommen hat. Es hat sich aber gelohnt … Verletzungen der Eltern heilen langsam wenn überhaupt!
Es geht jetzt darum Menschen zu finden, die sich an uns erfreuen. So wie wir sind. Nicht wie wir hätten werden oder sein sollen! Es fällt mir schwer das zu schreiben … aber manchmal ist die Hoffnung und die Erwartung, die Sehnsüchte an unsere Eltern die nie erfüllt wird, Gift für unser Leben. Dies zu erkennen ist ein langer und schwieriger Prozess, macht aber den Weg für uns einfacher und freier.
„Wenn Dich jemand behandelt, als wärst Du ihm egal … dann glaube ihm“.
Nicht jedes Thema ist etwas für unser Herz und nicht für jedes Thema gibt es zufriedenstellende Lösungen. Doch wir können und müssen dafür sorgen, dass es uns mit jeder Lösung gut geht.
Eine liebevolle Umarmung für heute, denn die braucht es zu diesem Thema.
Vielen Dank für die hilfreichen Worte. Ja, ich würde mich zu meiner Mutter setzten. Sobald meine Schwester dabei ist, sitze ich nicht mehr da.
Liebe Susanne,
Ich weiß wie es ist.
Und manchmal ist es wirklich besser für einen selbst, aufzustehen und zu gehen.
Nämlich dann, wenn alles andere schon versucht und nichts gebracht hat.
Fühle Dich verstanden.
Alles Liebe für Dich
SANDRA 🙂