Die Bücher meines Lebens …
Sehr oft zerrinnt uns die Zeit zwischen den Fingern. Tage, Wochen und Monate. Sie verfliegen ohne einen Eindruck. Hinterlassen keine merkbaren „Spuren“. Manchmal kann ich nicht einmal sagen, was das schönste Ereignis in den letzten zwei Monaten gewesen war. Warum ist das so?
Ich glaube, es ist so, weil wir verlernt haben mal still zu stehen. Innezuhalten, uns einfach zu besinnen und schöne kostbare Momente in uns aufzusaugen. Wir arbeiten rund um die Uhr. Aber aus Erfahrung weiß ich noch – ein ausgefüllter Terminkalender ist noch lange kein ausgefülltes Leben! Irgendjemand hat ja einmal gesagt, das Leben beginnt dort, wo die Zeit aufhört. Vielleicht beginnt es aber auch dort, wo wir mit festem Blick auf uns selbst schauen und das BESONDERE und die außergewöhnlichen Momente ganz festhalten? NUR FÜR UNS! Für später … für nicht so gute Tage.
Eine der schönsten Formen des bewussten Erinnerns ist für mich, das Schreiben von Tagebüchern. Es hilft gegen den „Verfall“ und das Dahinschwinden meiner Wirklichkeit. DER Wirklichkeit! Denn das eigene Selbst kommt zum Ausdruck und wird spürbar. Alles darf zum Ausdruck kommen, OHNE dass es direkt zum Thema gemacht wird. Ein zu Papier gebrachter Satz kann einen Moment des Lebens einfangen und wirklich festhalten. So wie ein Bild einen bestimmten Moment fixieren kann. Nur gibt es dabei einen wesentlichen Unterschied meiner Meinung nach. Ein Foto hält die Oberfläche eines Moments fest – natürlich und auf jeden Fall besser als nichts. Aber ein geschriebener Satz ist NICHT Oberfläche, sondern Tiefe! Es ist ein „Foto“ der eigenen Seele … des Seins. 😀
Ich glaube behaupten zu können, dass jeder von uns, in pausenloser Unruhe steht. Im Inneren wie im Äußeren. Überflutet von Nachrichten, bedrängt von so viel Fülle an Optionen finden wir oft das Zentrum unserer eigenen Kraft nicht wieder. In jeder einzelnen Sekunde unseres Lebens prasseln unglaublich viele Sinneseindrücke auf uns ein. Wir schmecken, hören, riechen, sehen und reagieren mit Emotionen und beurteilen so die erlebten Eindrücke.
Ganz ehrlich – allein einen einzigen Tag komplett in der Erinnerung zu speichern – es ist ein Ding der Unmöglichkeit! Es geht einfach zu viel im Gedränge des Alltags unter. Oft habe ich schon in den nächsten Tagen vergessen, was ich mir merken wollte, was mir gutgetan hat. Erlebnisse, Gefühle und Emotionen … sie sind unweigerlich aus meinen Erinnerungen verschwunden … unwiederbringlich … fort. Was bleibt, sind BRUCHSTÜCKE. Aber ich frage Dich: Sind die Glücksmomente, die Du und ich erleben, es nicht auch wert, dass wir sie für lange Zeit festhalten? Sind unsere Zweifel und Fragen nicht bedeutungsvoll genug, um aufgeschrieben zu werden? ICH finde doch.
Ich weiß, dass Schreiben den Dialog zwischen Körper, Seele und Geist unterstützt und auch innere Ordnung bringt! Ich weiß es deshalb so genau, weil ich schon seit meinem achten Lebensjahr Tagebuch schreibe. Beim Schreiben sind wir nämlich ganz bei UNS. Das weiße Blatt auf dem Tisch lädt ein zum „Stillstehen“. Zur „Betrachtung“. Der Geist und unsere Seele kommen wie von selbst in einen Dialog. Es ist wie bei einer Wanderung, auf einmal siehst Du das Ferne und das Nahe. Bedeutungsloses Unwichtiges. Widersprüche und Gefahr. Es kommt der Blick auf das eigene Leben. Nicht mehr und nicht weniger. ›lächel‹.
Und so frage ich mich manchmal: WAS schreibe ich auf? WAS lasse ich sein? In beiden Fällen ist die Antwort eine individuelle, aber bewusste Entscheidung, die sehr viel über uns aussagt! Nämlich: WAS ist mir in diesem Moment wirklich wichtig? WAS beschäftigt mich und berührt mich bis tief in mein Innerstes? Plötzlich werden kleine Alltagsdetails zu einer Wertschätzung meiner eigenen Identität.
Mir passiert es unsagbar oft, dass ich in Gesprächen die richtigen Worte suche, aber nicht immer finde. Beim Schreiben gelingt mir das mühelos. Allerdings ist es eine Herausforderung, sich Gedanken von der Seele zu schreiben. Sie werden plötzlich SICHTBAR! Es ist ein offener und kreativer Prozess, der mit der Zeit und ein wenig Übung zu etwas ganz Wunderbarem wird. Nämlich KLARHEIT. Beim Schreiben denken wir konkreter, wir schärfen unsere Wahrnehmung. Der Impuls des Schreibens hat mich schon sehr oft in eine ganz andere unerwartete „Richtung“ geführt.
Tagebuchschreiben ist so, als würde ich mir selbst zuflüstern UND zuhören zugleich. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die Tagebuch schreiben. Manche ständig, einige nur für kurze Zeit. Ich habe damit begonnen als sehr junges Mädchen. Ich habe geschrieben, um mir „Luft“ zu machen. Vertraute meine Gedanken den noch leeren Seiten an. Mein Schmerz und meine Angst bekam dadurch ein Gesicht. Im Laufe der Jahre stellte ich fest, dass Ängste, Sorgen und Befürchtungen sich wunderbar und für mich einfacher aufschreiben lassen als aussprechen! Zudem auch viel besser bewältigen.
Viele Menschen beginnen auch mit dem Tagebuchschreiben, wenn sie eine Reise antreten. Aus einem ganz einfachen Grund: Sie möchten sich möglichst intensiv an einzigartige Urlaubseindrücke zurückerinnern können! Andere beginnen damit, weil ihnen der Gesprächspartner fehlt, bei dem sie ihr Herz ausschütten können. Manche sehen es als Therapie, um sich besser ausdrücken zu lernen.
Sollte man jeden Tag schreiben? Das kann ich nicht beantworten. Es ist individuell – so wie jeder es für sich haben möchte. Es gab Zeiten, da schrieb ich mehrmals täglich kurze Einträge. Und ich hatte Phasen, da sammelte ich Tage und machte seitenlange Schriftstücke daraus. 😀 Ich möchte an dieser Stelle unbedingt eines sagen: Mein Tagebuch ist eines der letzten Reiche vollkommener FREIHEIT! Es ist nicht nötig, mich zu zwingen, ein paar Worte zu schreiben. Es ist ein WUNSCH geworden, mich hinzusetzen … zu denken und zu fühlen, zu entdecken. Einmal begonnen, sorgt mein Tagebuch auf wunderbare Weise für sich selbst. ›lächel‹
Das Tagebuch ist ein Ort, der zum Denken auffordert. Der Dich einladen wird, Deine Gefühle zu entdecken! Dich auffordern wird, Dich zu erinnern und zu träumen … manchmal auch zu weinen. Und im Laufe der Zeit wird es zur Chronik DEINES eigenen LEBENS.
Es war mir eine Freude und ein noch größeres Bedürfnis, meine Gedanken mit Dir zu teilen. Vielleicht konnte ich Dich animieren, es doch einmal zu versuchen? Falls Du allerdings schon ein „Schreiberling“ sein solltest, erzähle mir von Deinen Erfahrungen, WAS das Schreiben für Dich bedeutet. 🙂
Bis bald …
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