Eine Geschichte über Gefühle
Es war einfach nicht mehr zu übersehen. DIE GEFÜHLE: Sie wurden weniger. Zügig hatte ihre Zahl und gewaltig ihr Einfluss in den letzten Jahren abgenommen. So wurde beschlossen, eine Versammlung abzuhalten, um die Lage zu besprechen. Überall verbreitete sich schnell die Nachricht, dass es ein Treffen geben sollte, und zwar schnell. Und so strömte in jener Nacht ein ganzes Heer von Gefühlen zum Versammlungsort.
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass es grundsätzlich zwei Arten von Gefühlen gibt. Die ECHTEN und die UNECHTEN!
Die Versammlung in dieser Nacht war ein Treffen der echten Gefühle. Kurz – die ECHTEN genannt.
Ihre Aufgabe war, den Menschen wirklich lebendig sein zu lassen. Wenn ein Mensch seine echten Gefühle kennt, akzeptiert und den Mut hat, zu ihnen zu stehen, fühlt er sich wohl, stabil und gut. Das ist nicht misszuverstehen: Es gibt durchaus Konflikte in solch einem Leben. In jüngster Vergangenheit breiteten sich ganz massiv die „UNECHTEN“ aus und schienen immer mehr Anklang zu finden, also Gefühle, die nur ein Ersatz für die ECHTEN waren.
Natürlich waren an diesem Abend der ECHTEN auch Spione von der anderen Seite vertreten: Sie sollten Informationen sammeln, umso gegebenenfalls Maßnahmen der Gesellschaft der ECHTEN rechtzeitig unterwandern zu können. Für einen UNECHTEN war es eine Leichtigkeit, sich unter die ECHTEN zu mischen, da die Ersatzgefühle Meister in der Fähigkeit sind, als „ECHT“ aufzutreten. Doch nun wollen wir doch mal hören, was es auf der Versammlung so alles zu besprechen gab. Ein ECHTES eröffnete den Abend.
„Liebe Mitgefühle! Kaum einem von uns ist es entgangen, dass wir, die ECHTEN Gefühle immer weniger mit den Menschen zusammenkommen. Wir werden nicht angenommen und können dadurch nicht wirken. Die UNECHTEN – dieses scheinheilige Pack, sind dagegen prima im Geschäft! Lasst und gemeinsam überlegen, ob wir etwas tun können, damit die Menschen tiefer fühlen, uns akzeptieren und dadurch auch selbst wieder ECHTER werden!„
Es wurde eine sehr lange Nacht.
Nach diesen Worten meldete sich ein Gefühl zu Wort, groß und mächtig von Statur, aber verhärmt und verunsichert in der Ausstrahlung. „Ich bin Stellvertreter für die WUT. Wie unser liebes MITGEFÜHL einleitend ganz richtig sagte, haben wir Wutgefühle immer weniger Gelegenheit, zum Ausbruch zu kommen. Wir können ebenso wie der ÄRGER, den Menschen noch so sehr quälen und bedrängen, oft kommen wir damit nicht durch. Überall hört man auch, der Mensch soll sich im Griff haben, sich zusammenreißen und bloß keine Blöße zeigen!
Zustimmendes Gebrummel und Applaus folgten. Die WUT hatte einen sehr wichtigen Punkt angesprochen, der beinahe ALLEN Gefühlen Schwierigkeiten machte. Durch die allgemeine Zustimmung sichtlich ermuntert setzte die WUT ihre Rede fort. „Meine Konkurrenten die ZERSTREUUNG, die UNEHRLICHKEIT, HEUCHLEREI und wie sie noch so alle heißen mögen, machen mir schwer zu schaffen.“
„Besonders besorgt bin ich darüber, dass ich unsere aller schlimmsten Gegner, immer häufiger antreffe.“ Hier machte die WUT, deren Rede immer flammender wurde, eine Pause. „Immer mehr begegne ich bei den Menschen der ANGST. Mit all ihren Facetten. Im Schlepptau die FEIGHEIT und die UNGERECHTIGKEIT bis hin zur SELBSTAUFGABE und RESIGNATION!“
„Leider …“ meldete sich ein sehr zartes und zerbrechlich anmutendes Gefühl zu Wort. „Ich bin die LIEBE“ sprach es „und wenn ich euch erzähle, was die Menschen mir und damit sich selbst antun, wird doch deutlicher, wie schlimm und bedenklich die Situation ist.“
Die LIEBE spricht weiter:
„Fast immer, wenn ich auftauche, ist es ein erfreuliches Erlebnis. Wie oft werde ich herbeigesehnt, gewünscht und sogar besungen. Aber bald schon – oft stehe ich fassungslos davor, wie schnell gibt es Probleme, die daraus entstehen, dass die meisten Menschen mich gar nicht richtig verstehen.“
„LIEBE verspüren heißt für viele, Ansprüche stellen zu können, den anderen zu formen und lenken zu wollen. Vorschriften zu machen usw. … na ja ihr kennt das ja alle. Die Menschen sind dabei erfinderisch um sich selbst zu quälen. Und so fühle ich mich sehr oft machtlos und gerupft durch die EIFERSUCHT und die daraus entspringende UNEHRLICHKEIT und INTRIGE. Diese Scheingefühle haben die UNECHTEN ja nur zu gut eingeführt!“
Und so ging es die ganze Nacht hindurch. Die Spitzel von der Gegenseite machten sich eifrig Notizen. Der EGOISMUS beschwerte sich lang und eindringlich über die Diskriminierung, die ihm seit langem widerfuhr: „Wenn die Menschen aus lauter Angst vor mir nur noch sich anpassen und intrigant werden, kann ihnen das ja letztendlich einfach nicht guttun!“
Die Gefühle, so unterschiedlich sie auch sind, kamen am Ende überein, dass sie es auf gar keinen Fall noch einmal riskieren wollten, die Menschen für eine Nacht zu verlassen, um weitere Versammlungen abzuhalten. Wie Beobachter berichteten, war zu viel in dieser Nacht passiert, als die Menschen ohne ECHTE GEFÜHLE waren! „Die UNECHTEN können uns zwar kurzfristig ersetzen, auf Dauer jedoch niemals. Dazu sind wir zu tief im Menschen verwurzelt. Wir ECHTEN gehören in diese Welt. Wir sind nicht unter den Tisch zu kehren und wir müssen uns verstärkt durchsetzen! Wir müssen uns bei den Menschen konsequenter durchsetzen. Damit sie aufwachen und ihre Chance wahrnehmen!“
Der Beifall war groß, wenn auch geteilt. Und ebenso geteilt war die Stimmung. Der Morgen brach an und viele waren sich nicht sicher, ob sie sich durchsetzen können, weil die Konkurrenz durch die UNECHTEN sehr groß war. Andere vertrauten auf ihre Ursprünglichkeit, die einfach Gültigkeit hat.
Die Gefühle trennten sich mit dem festen Grundsatz, sich weiterhin in den Menschen bemerkbar zu machen und NIEMALS aufzugeben. <3
Dieses Mal ein paar Zeilen mehr. Eine Geschichte, die perfekt in unserer Zeit Platz findet. Danke für Deinen Besuch.
Bis bald, pass auf Dich auf.
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