Die Angst vor Berührungen
Berührungen zulassen ist eines der Dinge, die bei einer Partnersuche oder in einer Beziehung, sicherlich sehr hilfreich sind. Allerdings ist eben das auch ganz offensichtlich ein Problem für viele Frauen. Letzte Woche habe ich ja über „Beziehungsangst“ berichtet, diesen Beitrag darfst Du als Fortsetzung sehen. Berührungen – Nähe – Distanz – Angst … all das kann sich in einer Beziehung wieder finden. Gerade Frauen die sich sehr schwer damit tun Nähe zu akzeptieren und anzunehmen, haben leider auch oft ein Problem, wenn es um Berührungen geht.
Eine feste Umarmung, ein aufmunterndes Klopfen auf unsere Schulter oder ein zärtliches Streichen über die Hand … wir alle mögen und brauchen diese Berührungen, auch wenn manche da ganz fest dagegen halten, ich glaube ihnen nicht. Gerade wenn wir uns längere Zeit, aus den verschiedensten Gründen, von anderen Menschen fern gehalten haben, fühlen wir uns irgendwann einsam. Wir leiden körperlich und seelisch. Berührungen und körperliche Nähe zählen von Geburt an, bis zu unserem Tod, zu den Grundbedürfnissen unseres Lebens. Zärtlichkeiten sind wie Balsam für unsere Gesundheit. Und doch lösen sie bei uns manches Unbehagen aus!
Der Wunsch nach Berührung ist da … doch die Angst davor auch
Bei manchen Menschen bezieht sich die Angst nur auf die Berührung durch das andere Geschlecht … und bei anderen auf alle Menschen. Diese Angst haben wir deshalb, weil wir meinen, der unbekannten Sache nicht gewachsen zu sein. Eine wichtige Rolle spielt auch sicher, wie wir aufgewachsen sind. Wie unsere Mutter oder Eltern, nahe Bezugspersonen, mit uns umgegangen sind.
Wurde mit uns „geknuddelt“, gestreichelt? Konnte unsere Mutter ihre Liebe durch körperliche Nähe zeigen oder war sie körperlich eher abwesend und kühl? Meine Mutter oder meine Eltern, taten sich schwer, mich zu trösten indem sie mich in den Arm nahmen oder auf den Schoß setzten. Ich denke sie hatten es beide nicht gelernt mit Gefühlen umzugehen und so wurde es auf mich weitergegeben. Als ich Erwachsen wurde hatte ich große Probleme mich zu öffnen. Mich in einer Beziehung fallen zu lassen. Ich hatte davor eine Riesenangst, als würde ich meine Seele verkaufen.
Gewalttätigkeiten oder (und) sexueller Missbrauch sind häufige und verständliche Gründe für die Berührungsangst. Jede Frau die solche Erfahrungen machen musste weiß, dass ihr Selbstwert hinüber ist. Man beginnt den eigenen Körper zu hassen, man misstraut jedem und will deshalb niemanden zu nahe an sich heranlassen. Leider muss ich paralell, unsere Eltern wieder mit ins Boot setzen. Wenn sie nämlich ständig kritisiert und getadelt haben, dann konnten wir auch nicht lernen, dass wir und damit auch unser Körper liebenswert ist!
Ein klassischer Tatsachenbericht zeigt, dass dieses Verhalten bis ins Alter Spuren hinterlassen kann. Als Kind schon viel zu „moppelig“ von der Familie gehänselt. Das schwarze Schaf der Familie quasi. Zu unattraktiv weil zu dick … jedoch durfte der Tisch erst verlassen werden, wenn alles aufgegessen wurde. Liebe und Zuwendung wurde in gefüllte Teller serviert. So wurde gelernt den eigenen Körper abzulehnen und wenn man seinen Körper ablehnt, weil man ihn für unattraktiv hält, dann tut man sich auch schwer jegliche Art von Berührungen zuzulassen! Ein Teufelskreis in dem viele von uns schon seit Kindheit stecken.
Nun ist ja jeder Mensch für sich selbst verantwortlich
… Vielleicht geht Dir so etwas ähnliches gerade durch den Kopf. Da gebe ich Dir auch vollkommen recht! Eine nicht so tolle Kindheit, schlechte, schmerzhafte und unschöne Erfahrungen sollten keinesfalls die Richtung und das Lebensgefühl in unserem Dasein vorlegen! Trotzdem beeinträchtigen sie uns öfter als wir tatsächlich glauben. Dieses Thema war auch für mich eine riesige Hürde. Ich gab mich sehr verschlossen und kühl. Dabei war ich nur unsicher und hatte manchmal sogar panische Angst vor einer zärtlichen Umarmung. Manchmal war ich aber auch mutig … aber nur kurz, denn ich löste mich schneller als gewünscht aus den Armen eines Mannes weil ich nur Unbehagen und ein riesen Fragezeichen in mir spürte! Es war eine lange Zeit und mir völlig unmöglich Berührungen und Körperkontakt unbeschwert zu genießen.
Ist die Fähigkeit aktiven Körperkontakt zu suchen und anzunehmen eingeschränkt bzw. blockiert, geht es uns schlecht. Ein Leidensweg beginnt…
Verhaltensauffälligkeiten kommen zum Vorschein
Es ist es uns selbst gar nicht bewusst, wie wir auf den „Berührungsentzug“ reagieren. Eines meiner Verhalten war, Machtkämpfe im beruflichen Umfeld auszutragen. Ebenso war die Schwelle zur Reizbarkeit sehr niedrig. Der Entzug von Berührung, Streicheleinheiten und Umarmungen, war für alle anderen sicht- und spürbar. Weitere Folgen können auch sein:
- aggressives Verhalten
- soziale Unsicherheit
- Angst und Panikstörung
- psychosomatische Erkrankungen
Für Frauen (Menschen) mit dieser Entwicklungsstörung ist es natürlich sehr schwer einen positiven Kontakt zu dem anderen Geschlecht aufzubauen. Das Gute aber ist, es kann geholfen werden! Es gibt Methoden um diese Körperkontaktblockaden zu lösen. Das Erlernen und Festigen positiver Erlebnisse ist also für jeden zugänglich. Ich hatte die Möglichkeit in einem sehr langen Reha-Aufenthalt diese Lernschritte für mich zu nutzen und dementsprechend positive Körpererfahrungen zu sammeln.
Das Hauptziel war der Aufbau positiver Beziehungsfähigkeit. Emotionale und körperliche Nähe und Berührungen anzunehmen und aktiv aufzusuchen. Vertrauen aufzubauen und zu lernen, mit mir selber liebevoll umzugehen.
Berührungen haben eine mächtige Wirkung auf uns
Angenehme Berührungen lösen nicht nur wohlige Gefühle in uns aus, sie beeinflussen auch unser Verhalten. Wer regelmäßig berührt wird, in den Arm genommen, gestreichelt oder sich in der Beziehung richtig fallen lassen kann, ist ausgeglichener, hilfsbereiter, freundlicher und riskiert auch mehr in seinem Leben! Das ist definitiv so.
Wie die Sprache gehören auch Berührungen zu unserer alltäglichen Kommunikation. Je nach dem, wie nahe wir unserem Gegenüber stehen, welche Absichten wir haben #zwinker, berühren wir den Anderen auf ganz verschiedene Art und Weise und können so auch ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Dinge damit ausdrücken. Übrigens lassen wir Frauen uns eher berühren als Männer. Wir sind es auch, die durch Körperkontakt stärker beeinflussbar sind und werden … unabhängig davon ob die berührende Person männlich oder weiblich ist. 😀
Zusammengefasst: Wie also umgehen mit der Angst vor Nähe und Berührungen?
Ich habe gelernt und musste tatsächlich feststellen, dass wenn wir jemanden kennen lernen, er/sie keinesfalls sofort von uns erwartet, direkt bei der ersten Begegnung all unsere Gefühle, Wünsche, Geheimnisse, Ängste und Träume von uns zu erfahren!
Außerdem bin ich mir sicher, dass niemand auf die Idee kommen wird, uns näher kommen zu wollen um direkt über uns zu urteilen und in unser Leben einzudringen.
Und der Satz „Nähe und Berührung zulassen müssen …“ sollte auf dürfen verändert und verankert werden! Einfach damit beginnen, sein Gegenüber zu sehen, anstatt auf unsere Ängste zu schauen und die schlimmsten Befürchtungen zu haben was denn hinter jeder Berührung stecken könnte. Ich kann Dir nämlich sagen … es wird nichts passieren.
Wenn wir uns nach Liebe und Geborgenheit und folgedessen auch nach Berührungen sehnen, wir uns zu einem Menschen hingezogen fühlen, dann ist es auch notwendig, dass man sich einander näher kommt und es auch zulässt. Angst vor Nähe und Zärtlichkeit, bedeutet auch Angst seine Bedürfnisse auszudrücken! Weil wir meinen, dass der andere die eigenen Bedürfnisse nicht erfüllen kann oder will. Doch eigentlich geht es doch beim Kennenlernen darum dass wir herausfinden können, ob beider Bedürfnisse zusammenpassen? Ob das was wir uns wünschen und was wir zu geben haben, zu dem passt, was unser Gegenüber will und ebenfalls geben möchte/kann. Um das herauszufinden wäre Nähe sehr hilfreich! 😀
Und falls es nicht passt. Wir uns nach wie vor unwohl fühlen, sollten wir auf unser Gefühl hören und dankbar sein, dass es sich meldet. Dann wird es einen Grund geben … es sollte nicht sein. Es ist auch nichts Schlimmes passiert … im Gegenteil. Immerhin wissen wir dann, dass wir diese Person von unserer Liste „potentieller Partner“ streichen können!
Sicherlich gibt es viele Frauen da draußen die wie ich, ihre negativen Erlebnisse zum Thema Berührung und Nähe in neue positive Erfahrungen verwandeln haben können. Durch Hilfe von außen, einen besonders liebevollen und geduldigen Partner oder einfach nur mit der Hilfe von Zeit. Fakt ist … alles kann heilen und wieder gut werden! <3
NÄHE BERÜHRT IN JEDER SITUATION.
Ich wünsch Dir jede Menge Unbeschwertheit mit Deinen Gefühlen … Pass auf auf Dich und bis ganz bald.
Das sind echt schlimme Szenarien, wie man sich vor anderen Menschen fürchtet. Was ich vermisse ist dass die Perspektive nicht oder nur ganz wage aus Sicht von Männern beschrieben wird. Auch Männer leiden darunter. Ich selbst bin 48 und hatte noch nie Sex ohne finanzielle Gegenleistung. Also noch keine Beziehung. Noch nie eine Frau geküsst und so weiter. Extreme Vorstellungen wie dass man Frauen nicht berühren darf, bevor sie es dir erlauben, haben mich dahinkommen lassen. Sie könnten mich schlagen, wenn ich sie ungefragt berühre. Männer haben nichts zu sagen…. All das sind Gedanken, die mich von der wahren Liebe abhalten. Ich warte, dass Frauen agieren und musste jüngst erst verstehen lernen, dass wir Männer einzig dafür verantwortlich sind. Ziemlich Viel, was da in mir korrigiert werden muss. Aber ich arbeite daran.