Alltagsgschichten aus der B102 #7

Persönliches

Die letzten Tage bei uns auf der Station sind nach unserem „Bauchtanzabend“ mehr oder weniger gut gelaufen. Keine besonderen Vorkommnisse. Alles hatte seinen Lauf und unsere Stimmung war sehr zuversichtlich und positiv. Wir saßen abends bis zur letzten Minute, die wir aufbleiben durften, auf der Terrasse und strickten um die Wette, erzählten uns gegenseitig von unseren Vorhaben wenn wir uns erst wieder im „normalen“ Leben befinden würden. Wenn niemand an unserer Seite ist den wir fragen können, wenn wir unsicher sind, wenn keiner ein offenes Ohr für uns hat, würden wir in unser altes Verhalten schlittern. Wenn wir als erwachsene Frauen auf uns alleine gestellt sind. Ohne Pufferzone …

Ein weiteres Wochenende kam auf uns zu

Das ich nicht nach Hause wollte (obwohl ich musste) war klar. Dieses Wochenende war es aber eben so. Ich sollte das Wochenende NICHT auf der Station verbringen. Es war wichtig für die Zeit „danach“, um nicht ganz weltfremd das Krankenhaus zu verlassen. Einfach ein paar Stunden für sich selbst die Verantwortung übernehmen. Jedoch gab es immer die Option – falls man es nicht mehr zu Hause aushalten würde, oder wenn man in sein „altes Muster“ (das für die meisten Frauen hier wahrlich DAS Hauptproblem ist), wieder hinein kippen sollte, durfte, konnte, sollte man unverzüglich wieder auf die Station zurückkehren. Das soviel bedeutete: keinen Alkohol, keine Drogen, keine wilden Partys, da dort genau solche Dinge auf einen warteten. Klipp und klar KEIN dysfunktionales Verhalten was gegen uns selbst gerichtet ist! Diese Abmachung wurde sogar von jeden von uns Frauen unterschrieben, wer jetzt genau was und wie in seinem „Vertrag“ stehen hatte war klarerweise unterschiedlich. Jeder hatte ja so seinen eigenen Rucksack mit.

Mein Wochenende war also fix

Ich war eingeladen zu einer kleinen Feier, und mir wurde angeboten auch bei meiner Bekannten schlafen zu können. Dieses Angebot nahm ich an. Besser als zu Hause wo mir die Decke wieder auf den Kopf fällt. Auch wenn ich nicht genau wusste welche Leute erscheinen würden. „Alle total nett und behutsam, es wird dir gefallen und einige kennst du ja ohnehin … es tut dir auch wieder mal gut unter fröhlichen Menschen zu sein …“ (Wenn sie gewusst hätte, daß wir wahrscheinlich ebenso fröhlich sind, hätte sie diese Meldung stecken lassen). Egal – sie meinte es ja nur gut.

Besprochen wurde unser Wochenend-Ausgang immer mit der eigenen Bezugsschwester. Ein Plan A, B und zur Sicherheit auch der Plan C, wurde aufgestellt und alle möglichen Situationen die hätten kommen können, wurden durchgespielt. „Und SIE wissen ja Sandra, sie können jederzeit auch früher als vorgesehen, wieder kommen.“ Ja ich hatte verstanden, wird aber nicht vorkommen …

Es war eine kleine Einweihungsfeier der Luxus-Klasse!

Ich wurde abgeholt und ich merkte schon dass meine Bekannte nicht wirklich wusste was sie mich fragen sollte. Ich nahm es ihr ab indem ich lachend sagte „Keine Sorge, ich bin NICHT tot krank, es geht mir gut und ich würde sagen, wir machen uns einen schönen lockeren Abend 🙂 !“ Als sie merkte das ich einen ganzen Satz – normal formulieren und verständlich aussprechen konnte … war ihr leichter, das sah ich ihr ganz deutlich an gg.

Insgesamt waren 4 Pärchen wovon ich 2 von ihnen kannte, der Rest bestand aus Männern, ca. 6 die alleine gekommen waren. Der Abend war perfekt für ihre Einweihungsparty, die Temperatur am Abend war wieder mal wie im Süden … dieser Sommer war einfach genial (mochte man diese unentwegte Hitze ). Die neue Wohnung war ein Traum. Mitten in der Stadt über den Dächern mit einer riesigen Terrasse, begrünt und bepflanzt als würde man in einem grossen Garten sitzen. Riesige Loungemöbel und eine stylische Feuerstelle für die Gemütlichkeit. Coole Musik und ein geniales Catering warteten auf uns. Stil hatte sie immer schon gehabt.

Wir machten uns alle miteinander bekannt, die meisten kannte ich ja nicht, und ich wurde etwas unsicher. Es dauerte auch nicht lange bis der erste fragte „Und warst du gerade im Urlaub? Verboten braun und du wirkst, als bist du noch im Urlaubsfeeling …“ Hmm, ok … und jetzt ? Was sag ich? Ich mach es wie früher, dachte ich mir. Also lächelte ich, bedankte mich fürs Kompliment und einem „beinahe richtig“. Mein Weg war schnurstracks zur Catering-Bar. Ich fühlte mich nicht sonderlich wohl. Wären die Mädels da, oder irgend jemand der mir ein klein wenig bei dem Fragen & Antwortenspiel helfen würde, ginge es mir besser.

Nach ca. 3 – 4 Stunden und zu vielen Drinks, die mir dabei halfen etwas lockerer zu werden und zu sein, war es bei mir aus. Diese oberflächliche Unehrlichkeit kotzte mich an. Oder vielleicht war ich empfindlich? Eines stand jedenfalls fest, hätte ich gesagt, das ich meine „verbotene Bräune“ vom KH-Garten habe und alles andere als „Urlaubsfeeling“ in mir trug, eigentlich nur für 42 Stunden Ausgang habe … Sie hätten mich alle ignoriert und mit Handschuhen angefasst! Ich hatte zu Rauchen aufgehört – was tat ich? ICH paffte eine nach der anderen. Ich sollte keinen Alk trinken – was tat ich? ICH trank Schampus der mir nicht mal schmeckte nur um anderen zu gefallen und in diese Truppe zu passen. Ich hörte mir die blöden Anmachsprüche der Männer an und ertappte mich dabei mich ebenso oberflächlich zu geben wie die es taten … Gute Miene zum Scheiss Spiel!

Ich wollte, ich musste nach Hause

Verabschiedet hab ich mich gegen 3.00 Uhr Morgens NUR bei meiner Bekannten, mit der Begründung mir ginge es nicht besonders (was ja auch nicht gelogen war), und mir sei es doch lieber „zu Hause“ zu schlafen… wir sprechen darüber wenn sie mich die Tage besuchen kommt. Und weg war ich. Im Taxi zur Klinik war ich enttäuscht von mir, von den Menschen. Am meisten aber von mir. Das Schlimmste wartete aber noch auf mich. ICH musste um halb 4 Uhr morgens einer der Schwestern oder Pfleger läuten. Einige Fragen beantworten müssen und mit Sicherheit einen Test auf Drogen und Alkohol mit machen.

Am Morgen lernte ich neues kennen

Ich schlief schlecht und mir war auch genauso schlecht! Das Rauchen und der Alkohol in Kombination mit den Leuten die mir nicht lagen, reichte mir einfach. 4 Stunden später sah die Sache schon anders aus. Ich „durfte“ in Begleitung mit einer Schwester auf die Toilette. Da ich so etwas noch NIE machen musste, war ich überrascht und schockiert als sie sagte „ich muss leider dabei bleiben … es werden Stichproben gemacht und das ist nur zur Kontrolle“. Ich fühlte mich schrecklich.

Jetzt wurde mir wieder bewusst wo ich war

Selbst jetzt wenn ich darüber schreibe, überkommt mich das unwohl sein. Es ist eben kein Strandspaziergang sondern Arbeit am Menschen. Und da ich hier wirklich eine andere Art von Problemen zu bewältigen habe, als Drogen und Alkohol, werde ICH nicht ausgenommen diese Tests zu machen, noch dazu wenn ich angebe erst am nächsten Tag um 18.00 wieder in die Klinik zu kommen und aber in der selben Nacht mit einer wahrscheinlichen „Fahne“ schon wieder auf dem Teppich stehe … Mich schmiss dieses Erlebnis völlig aus der Bahn. Andere lachen darüber …

Ich wartete auf meine Bekannte

Am späteren Nachmittag wollte meine „Gastgeberin“ mich besuchen kommen. Ich wartete im Café auf sie. Die Zeit war auf 16.00 angesetzt. Ich trank meinen Cappuccino und las mein Buch nebenbei. Es war bereits kurz vor 17.00 Uhr geworden und es war nix von ihr zu sehen. „Sicher sehr lange geworden gestern bei ihr …“ war mein Gedanke. Auch als ich sie anrief tat sich nichts. So maschierte ich über Umwege auf die Station zurück. Als ich zur späteren Stunde noch einige Male versuchte sie zu erreichen, sie aber NICHT ans Telefon ging, machte ich mir sorgen.

Am nächsten Morgen hatte ich eine sehr lange WhatsApp Nachricht am Handy von ihr, die ungefähr so lautete: „Es tut mir sehr leid, aber ich kann dich nicht besuchen kommen. Es wäre nicht von Vorteil für mich, was wenn ich jemanden treffe der mich kennt! Die Erklärung wäre mir und DIR sicher auch sehr unangenehm! Meine Freunde gestern, wollten nach deinem raschen Verschwinden auch wissen wie – wo – und was … aber keine Sorge, ich hab ihnen nichts genaues erzählt! Wir können aber gerne wieder in Kontakt treten wenn es dir wieder gut geht …“.

Wenn ich mich genau erinnere, hab ich diese Nachricht mindestens 10 mal gelesen, was bitte sollte das? Frau „VIP“ schämte sich für mich! Unglaublich … ICH bin also nur „passend“ für sie wenn ich Champagner und Austern schlürfend neben ihr ein hübsches Gesicht bringe … !? Menschen, die sich in einer vorübergehenden „Krise“ befinden und versuchen alles wieder in Gang zu bringen – nein also … das ging anscheinend gar nicht!

Alltagsgschichten aus B102 #7

An diesem Morgen begann bei mir das Ausmustern meiner Freundes-Liste. Es musste wahrscheinlich so sein um zu erkennen, wer wirklich zu deinen Freunden oder guten Bekannten zählt und wer es nicht verdient hat, an meiner Seite zu verweilen. Es waren schmerzhafte Tage, aber sehr notwendige!

Meine Antwort auf diese Nachricht war kurz: „Meine liebe, ich wünsche DIR ein immer ausgeglichenes Leben, ohne holpriger unebener Strasse! Falls du trotzdem mal ne Panne haben solltest – sollen deine „Freunde“ immer hinter DIR stehen … blöd wär es, wenn sie zu diesem Zeitpunkt mit „Schampus & schlitzigen Muscheln“ beschäftigt sind. Ciao und Thx.“

So schnell kann es gehen, und nach den vielen „guten Tagen“, die ich hier erleben durfte, kommen auch wieder welche die dir einen Bauchstich versetzen…

Beim nächsten Mal erzähle ich DIR, was dabei herauskommt, wenn Kopf und Hände wie von selbst arbeiten, von der Stunde im Gras … und ein wenig Meditation. 😀 Also ich freu mich IMMER auf Dich und vergiss nicht: DEINE Meinung dazu ist mir immer sehr wichtig!

Kennst du schon die weiteren Teile der Alltagsgeschichten?
Alltagsgeschichten B102 #1
Alltagsgeschichten B102 #2
Alltagsgeschichten B102 #3
Alltagsgeschichten B102 #4
Alltagsgeschichten B102 #5
Alltagsgeschichten B102 #6
Alltagsgeschichten B102 #7
Alltagsgeschichten B102 #8
Alltagsgeschichten B102 #9
Alltagsgeschichten B102 #10

Xo Sandra

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2 Kommentare

  1. Susanne Steiner

    Liebe Sandra, ich habe aufmerksam deine Zeilen gelesen ich bin auch gedanklich etwas hin und her, aber ich glaube du warst nur neugierig was sich da tut, wolltest nur raus Ablenkung und der gleichen. Aber wie du gesagt hast Einweihungsfeier der extra Klasse.

    Ich erlaube und traue mir zu sagen das wahre Freunde ganz wo anders zu finden sind. Ich hoffe ich war jetzt nicht allzu streng …. ich weiß gar nicht wie ichs vormulieren soll die generelle Freunschaftsausrichtung wie du hier beschrieben hast. Aber du hast ja schon schwere Abstriche gemacht, es wird im Endeffekt nur eine Handvoll überbleiben. Den von wirklichen Problemen wollen ja die meisten gar nichts wissen.

    Ich wünsche dir wirklich das Allerbeste denn wir verstanden uns ja eine ganze Weile, glaube ich ja schon, sehr gut, obwohl es schon sehr lange her ist. Ich glaube du bist am besten Weg.

    LG Susanne

    Antworten
    • sandra

      Hallo Susanne:-)
      Freut mich das du gerne bei mir vorbeischaust und mir deine Gedanken dazu hier lässt 😀

      Das mit den Freunden ist eine ganz schwierige, aber zugleich auch ganz simple Sache!
      Wir meinen und reden sehr oft von „Freunden“, in Wirklichkeit sind es grade mal Bekannte.
      Man kennt sich eben…

      Im Laufe des Lebens kommt man dann schnell drauf, wer ein Freund und wer ein bekannter „Mitläufer“ ist.
      Aus Erfahrung kann ich sagen: es waren immer die oberflächlichen Menschen, die es nie geschafft haben
      Freunde (meine Freunde) zu werden! DAS bei anderen zu bemerken und zu sehen, hat auch mein Denken verändert.

      Flüstert: ich galt früher auch als „oberflächlich“ 🙁 . Das macht auch das Umfeld in dem man sich befindet!

      Jedenfalls – jeder kann alles und jederzeit ändern sofern er es möchte. Fazit daraus: ein besseres, glücklicheres
      und zufriedeneres Leben ist das Resultat solcher Veränderung!

      Ich wünsche dir das DU deine Gedanken auf die Reihe bringst, so Tage dürfen auch ab und zu sein 🙂 !
      Ausserdem alles Liebe und wenn DU magst … bis bald auf meinem Blog.
      GLG. Sandra

      Antworten

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