Eine neue Woche begann, die neuen Pläne für diese Woche hingen schon an der Pin-Wand. Die Montage waren für die Frauen, die zu Hause waren, entweder unerträglich wegen der Trennung von ihren Kindern oder wie eine neue Urlaubswoche ohne Familie! Was 2 Tage zu Hause so bewirken konnten. Andere konnten nicht konsequent sein, ihr altes Verhalten war stärker als das „neue ich will“, was für die ein oder andere Person ein Nachspiel hatte.
Beim Frühstück
Wieder war es sehr warm an diesem Morgen, wie immer trafen wir uns in der gewohnten Reihenfolge zum Frühstück. Gabriela war sehr glücklich wieder hier zu sein: „Endlich wieder Ruhe“, hauchte sie nach dem ersten Schluck Kaffee. Unterm Strich waren wir alle wieder froh zusammen zu sein! Nach der ersten Hälfte Nutella-Semmel fragte Gabriela mit einem Strahlen im Gesicht neugierig „Und … freut ihr euch schon? Ich habe alles mitgebracht!“ Dabei kaute sie die zweite Hälfte ihrer Semmel lautstark gg. Wir alle mussten lachen und ein einheitliches „JA sicher“ traf sich mitten am Tisch 🙂 ! Wir suchten den Mittwoch aus, für unsere arabische Nacht, sicherten uns den Besprechungsraum und verbrachten die Tage bis dahin mit viel Lern- und Lesestoff, Einzelgespräche und Kunst, worauf ich mich persönlich immer total freute!
Mein Vertrauen wurde auf die Probe gestellt
Mein Montag war gut eingeteilt. Ich mochte es in der Zwischenzeit wenn ich viele Einzelstunden hatte. Das gab mir immer das Gefühl ernst genommen zu werden. Ich genoss die Aufmerksamkeit, die mir entgegen gebracht wurde, sehr. Das Gefühl nicht belächelt zu werden sondern das Gegenteil … der Sache auf dem Grund zu gehen, das war was ich wollte und hier wurde es mir angeboten.
Vor dem Mittagessen hatte ich für diesen Vormittag meine letzte Einzel-Therapiestunde. Diese Stunden nannten sich Körperwahrnehmung, das war sehr vielseitig und es wurde jedesmal ein anderer „Schwachpunkt“ in Angriff genommen. Ging es beim letzten Mal um meine Wahrnehmung verschiedener Situationen, war diesmal mein Vertrauen an der Reihe. Ich musste in den anderen Block des Hauses und ging rechtzeitig los. Beim hinüber spazieren machte ich mir so meine Gedanken über dieses Wort „Vertrauen“… da gab es eigentlich nichts darüber zu denken, mein Vertrauen hatte ich zu dem Zeitpunkt verloren gehabt.
Ich musste noch 5 Minuten warten da noch jemand vor mir war. Ich setzte mich und meine Beine begannen schon wieder zu „schlottern“. Das taten sie seit Neuestem immer wenn ich mich unsicher und unwohl fühlte. Meine Vorgängerin kam verweint mit gesenkten Blick heraus, ein freundliches „Ich bin sofort soweit „und ein warmes Lächeln war mir zugeteilt.
Drinnen angekommen setzte ich mich wieder auf meinen Platz, ich mochte den hohen hellen Raum sehr! Die vielen Fenster mit den Blick nach draussen, wo riesige und dichte Bäume ihren Platz gefunden hatten, die man nur von dem hinteren Trakt aus sehen konnte. „Sandra, heute werden wir versuchen, ihr Vertrauen zu prüfen, bereit dafür?“ Ein „kommt drauf an“ kam blitzschnell von mir zurück. „Ich werde ihnen die Augen verbinden und an ein Seil nehmen und langsam durch den Raum führen. In einem Tempo das ich bestimme.“ sagte sie. Dazu muss ich sagen, dass dieser riesige Raum einige Sportgeräte und Boxsäcke sowie einige Entspannungsliegen in Miete hatte. Kabel und Bänder lagen am Boden und hingen von der Decke. Also ein kleiner Hindernisslauf wo ICH wie ein Hund hinterher sollte! Ich überlegte sehr lange da ich mit dem „Augen verbinden“ keine Freude hatte. „Anschliessend vertraue ich mich IHNEN an“ sagte sie mit ihrer Stimme, die mich jedesmal beinahe in Trance versetzte.
Ich glaube nach nicht mal 1 Minute war das Spiel vorbei. Das Gefühl mich einem anderen Menschen anzuvertrauen hatte mich unter anderem schliesslich hierher gebracht. Es ging nicht. Nach dieser Minute war ich verärgert und mir war schlecht. Meine Therapeutin drückte mir ein Tuch und das Seil in die Hand. „Es kann funktionieren wenn man vertraut und ich vertraue ihnen“ sagte sie. Ich verband ihre Augen viel zu fest, legte sie an das Seil und schleifte sie in einem Tempo durch den Raum, so sagte sie gleich zu Beginn: „SIE haben die Verantwortung für mich! Ich sollte heil aus dem Rundgang aussteigen!“ Ich schleppte sie zu jeder Hürde und sagte kurz davor STOP! Beim Boxsack hatte ich plötzlich keine Stimme für „STOP“, sie erschreckte sich. Riss ihre Augenbinde herrunter und sah mich anders an als sonst. „Sie haben die Situation ausgenutzt“ sagte sie, so wie andere IHRE Situation ausnutzten … „Denken sie darüber nach und schreiben sie bitte auf was dabei in ihnen vorgeht“. Mahlzeit und bis Morgen.
Als ich mich im Lift im Spiegel betrachtete, schämte ich mich so sehr, dass ich mich am liebsten verkrochen hätte. 🙁 ! Eines wurde mir jedoch wieder klar: Ich musste viel an mir arbeiten … Mein Mittagessen blieb stehen. Kein Hunger.
Gabriela teilte ihre Tücher aus
Nach vielen Gedanken, die ich niedergeschrieben hatte, war es endlich später Nachmittag. Beim Stricken tauschten wir unsere Neuigkeiten des Tages aus. Wer wollte. Da nichts wirkliches anlag und ich meine Geschichte nicht erzählen wollte, das Stricken auch nicht so lief, veranstaltete Gabriela „grosse Anprobe“ 😀 . Das sie so gut ausgestattet war hatte ich mir nicht gedacht! Ein lautes Geklimper als sie die Tasche lehrte, bunte Hüfttücher und Gürtel kamen zum Vorschein. Dazu die passende Musik. Natürlich wurde auch gleich eine Kostprobe ihres Könnens gezeigt. Und Hut ab – unsere Königin machte das wirklich gut!
Am Mittwoch Abend weihten wir die Stationsschwester ein und holten uns ihre Erlaubnis für unser vorhaben. Es waren auch noch andere Ladys dabei, jeder hatte seinen Klimper-Gürtel und stellte sich in Position. ICH musste wirklich über meinen Schatten springen, etwas zu tun was ich noch nie getan hatte und auch nicht konnte. ICH war schliesslich eine Perfektionistin und wenn ich etwas tat, egal was, musste das perfekt sein! Das war der Punkt. Das es aber dabei nicht um „wer macht es am besten“ ging, hatte ich natürlich verdrängt. Ich beneidete die Frauen, die so ohne Komplexe und so zwanglos an eine Sache heran gehen konnten. Ich konnte das nicht und so setzte ich wieder meine „Maske“ auf und tat mit. Ich bemerkte das ich NUR nach rechts diesen Schwung drauf hatte 🙂 . Ich kam mir vor als sei ich in einem Beduinenzelt … und die Ladys hatten es wirklich drauf – das war das unter sich sein, die Unbekümmertheit! Es war schön zu sehen, dass Frauen für eine Stunde am Tag sich im Tanz verlieren können! Dank unserer Gabriela, die so viel Lob und Wertschätzung erhielt, dass sie weinte und sich freute wie ein kleines schüchternes Mädchen…
Die Zeit verging viel zu schnell
Wir wünschten uns alle eine gute Nacht als würden wir uns eine Woche nicht sehen, bedankten uns bei der Stationsschwester noch mal und teilten uns in unsere Zimmer auf. Für mich war dieser Abend etwas ganz Besonderes. Es tat mir gut Frauen zu sehen denen es bedeutend schlechter ging als mir und trotzdem mehr Ausstrahlung besaßen als ich. Mit dem Geklimper der Tücher in meinen Ohren schlief ich ein. Ohne Alptraum und ohne Panik …
Beim nächsten Mal werd ich dir erzählen wie es so ist wenn der Geist willig aber der Körper schwach ist … von der Hektik auf der Station und von dem Besuch, den ich erwartete, der sich aber schämte mich zu besuchen.
Also bis in 2 Wochen wenn DU magst – ICH freu mich auf DICH!
Kennst du schon die weiteren Teile der Alltagsgeschichten?
Alltagsgeschichten B102 #1
Alltagsgeschichten B102 #2
Alltagsgeschichten B102 #3
Alltagsgeschichten B102 #4
Alltagsgeschichten B102 #5
Alltagsgeschichten B102 #6
Alltagsgeschichten B102 #7
Alltagsgeschichten B102 #8
Alltagsgeschichten B102 #9
Alltagsgeschichten B102 #10
Na da bin ich mal gespannt wie es weiter geht. Mir fällt da sofort das Bild der Raupe ein die zum wunderschönen Schmetterling wird ? Ich denk mir die Raupe weiss es auch nicht wenn sie sich verpuppt. Auch wenn ihr die Anderen vielleicht sagen dass alles gut wird, so braucht sie doch jede Menge Vertrauen ?? um diesen Schritt zu wagen. XoXo Barbara
So schnell liest man sich wieder 🙂 . Hallo Barbara!
Ich hab dir ja versprochen – zu lesen gibt es genug, wobei meine Alltagsgeschichten etwas sehr persönliches sind und auch mal zu Ende gehen werden. Aber ich „bastle“ jetzt schon an neuen Ideen um dann diese Lücke zu füllen. Das mal vorweg.
Du hast ein sehr schönes Beispiel genommen um die Sache mit dem Vertrauen zu um- oder beschrieben. Das liegt wahrscheinlich auch an deiner Arbeit die du machst. „Arbeit am Menschen“ … ein endlos Thema …
Auf jeden Fall schön, dass es Menschen wie dich gibt!
Danke für deine schönen Gedanken und bis sicherlich bald, XoXo Sandra